Der 16.1.06 ist der erste Messetag in Köln. 1400 Aussteller
aus 50 Ländern zeigen auf 285000 Quadratmetern neue und alte Möbel. Aber nicht
nur Möbel: ganzheitliche Wohnwelten versprechen die Veranstalter, weil auch der
Endgebraucher nicht mehr irgendeinem Trend folgt, sondern der Vielfalt frönt.
„Homing“ bedeutet nicht nur Wohnen, sondern einen individuell zu formulierender
Ausdruck von Lebensqualität. Endlich zählt zu diesem strapazierten Begriff
nicht mehr nur Rotwein oder Reise, sondern auch die anspruchsvolle Gestaltung
der eigenen vier Wände.
Ute und herwig Danzer betreten gegen 9 Uhr die erste von 11.
Hallen und versuchen die ca. 80 anhand des Kataloges ausgewählten Stände zu
besuchen. Das sind entweder schon langjährige Partner der Möbelmacher, sie
werden es oder sie sind einfach Inspiration für die eigenen Einrichtungsideen.
Vier neue Hallen hat die Messe Köln gebaut, die Wege sind deshalb nicht mehr so
lang und das Angebot wurde etwas strukturierter. Zum Beispiel die Hallen mit
Mitnahmemöbeln kann man sich komplett sparen.
In Halle 4 glaubt man den Trendforschern, die dem Massivholz
eine Fortsetzung des Booms vorhersagen. Alle Serienanbieter sind vertreten,
wobei nur ganz wenige dem Bio-Müsli-Birkenstockstil treu geblieben sind. Der moderne
Look mit großen Glasflächen und Edelstahldetails hat auch bei den Urvätern wie
zum Beispiel Teams 7 Einzug gehalten. Das originellste Möbel der ganzen Messe
findet sich auf dem Pro Massivholz Gemeinschaftsstand: eine Ladentheke aus
einem authentisch gestapelten Buchenstamm, welcher wir sogleich den Namen "Stammkneipe" gaben. Die beteiligten Firmen und Verbände
stellen Massivholz als schick, jung, intelligent und modern dar. Hoffentlich
zeigt der emotionale Weg der Kundenansprache mehr Wirkung, als der ökologische
Zeigefinger der letzten Jahre.
Diesen verstecken auch die Hersteller von Naturbettsystemen
immer mehr hinter dem Kundennutzen. Pro Natura hat jetzt endlich sein
ergonomisch vorbildliches Bettsystem mit einer elektrisch zu verstellenden
Variante bereichert. Der Komfortgewinn ist unglaublich und der integrierte
Netzfreischalter verhindert den gefürchteten Elektrosmog. Ganz im Sinne der
immer älter werdenden Geschäftsführer aber vor allem für deren Kunden werden
auch die Möbelmacher diese ökologische Besonderheit ins Programm aufnehmen,
denn nicht nur zum Lesen im Bett ist es eine echte Bereicherung und es kann
problemlos nachgerüstet werden.
In den Hallen zum Thema „Comfort“ ist kein Massivholz mehr
zu sehen. Lackfronten soweit das Auge reicht, Glasschiebtüren mit gewaltigem
Ausmaß und die Horizontale betonende, glänzende Lowboards rufen
viertelstündlich nach der Sidolin-Kolonne. Wenn es mal nicht nach Formaldehyd
riecht, dann nach Glasreiniger, wenn die durchgestylten Wohnwelten nicht aus
Nussbaum sind, dann aus Zebrano oder Wenge. Die dunklen Hölzer dürfen sogar aus
den Tropen kommen oder die Spanplatten aus Asien, Hauptsache die Optik und das
Image stimmt. So sieht man auch nach wie vor jede Menge unbesitzbare
Tisch-Einzelbank-Kombinationen, weil das ganz außen stehende Tischbein das
Einsteigen verhindert. Hersteller müssen sich auf der Messe trendig darstellen,
was später dann gekauft wird, hat damit nicht immer etwas zu tun.
Einige Polstermöbler widmen sich dem vom Trendboard
definierten „Glocal Style“. Das Kunstwort aus „global“ und „lokal“ bedeutet
nicht nur die Kuckucksuhr im New Yorker Penthaus, sondern vielmehr die
Vermischung von mexikanischen, indischen oder orientalischen Formensprachen,
Farben oder Dekorationen. Produkte sollen ein Geschichte erzählen, vom
Blumenstrauß bis zum Polstermöbel. „Storytelling“ wird dieser Trend, der wohl
so alt ist wie der Mammutstoßzahn in der Steinzeithöhle, phantasievoll
übersetzt. Die Firma Jori ergänzt in diesem Sinne die Kamasitra-Philosophie des
letzten Jahres durch das noch niedrigere und tiefere Modell Shiva. Ein Sofa
eher zum Lümmeln als zum Sitzen, aber genau das ist ja „glocal“, oder? Auch die
unbequem niedrigen Couchtische werden wohl nach Deutschland schwappen.
Rückenschulleiterin Ute Danzer diskutierte mit Firmenchef Juan Jorion da lieber
die gerade erfundene Einhandbedienung der neuen Armlehne des „klassischen“
neuen Modells Glove. Denn für die Möbelmacher, als Ergonomie-Kompetenz-Zentrum
Nürnberger Land, ist vor allem das gesunde Sitzen Thema, auch wenn Shiva trotz
aller Vorbehalte bald in der Ausstellung zu be-sitzen sein wird. Unserer
Sekretärin Nina Schoproni gefällt es einfach sooooo gut, ...
Interessant waren die Diskussionen über die Zukunft der
Möbelhäuser. Nur wenige mittelgroße Häuser werden nach den Prognosen überleben,
die Zukunft gehört den spezialisierten Nischenanbietern und natürlich den
wenigen ganz großen. Einige etablierte Nobel-Hersteller wollen sich das
Zerstören ihrer Marke durch die unnötigen Rabattschlachten nicht mehr länger
gefallen lassen, erwägen die Konzentration auf Einrichtungsspezialisten und
drohen den Verramschern mit Lieferstopp. Das wäre endlich ein Signal für die
längst fällige Trendwende, denn Möbelkäufer wollen vor allem nachvollziehbare
und faire Preise.
Vielleicht wird in den nächsten Jahren wieder vermittelt,
dass gute Beratung, Service und Individualität länger Freude macht, als der
günstige Preis vom falsch gewählten Produkt.
Mit dieser Hoffnung wird noch mal gechecked, ob man wirklich
alle Stände gesehen hat, aber da ertönt bereits der Messe-Ende-Gong und wir
verlassen die Messe elegant über einen Notausgang, der nur wenige Meter vom
Parkplatz entfernt ist. Auf der Heimfahrt hat man wieder das Gefühl viel zu
viel gekauft zu haben, aber die Erfahrungen der Vergangenheit lehren auch, dass
nur die Weiterentwicklung unseres Angebots Zukunft hat. Jetzt nur noch 469 km
nach Unterkrumbach.
Artikel dazu im Handelsblatt: Trendwende empfohlen.