Wurde schon gefragt, wo im Nachhaltigkeitsblog unser Artikel über den spannenden Abend mit Jaana Prüss am Michelsberg bleibt (den wir hier angekündigt haben). Das ungewöhnlich lange Warten auf diese Veröffentlichung im - im März 10-jährigen - Blog war offen gestanden Absicht, denn ich wusste, dass Ute Scharrer einen tollen Artikel darüber schreiben wird und den leihe ich mir hier dankbar und mit freundlicher Unterstützung der Hersbrucker Zeitung gerne aus.
Ute hat Recht, man hätte Jaana gerne noch länger zugehört und nicht nur über die einzelnen Initiativen selbst als Shortcut, sondern auch über die notwendigen Rahmenbedingen und Jaanas großen Erfahrungsschatz damit erfahren. Denn wer ihre Vita ließt, oder Ulrike Eyrichs einfühlsame Einführung verfolgte, hat großen Respekt vor Ihren Leistungen, die sie an keiner Stelle erwähnt hat.
Aber die Unterhaltung über diese Themen war dann nach dem Vortrag möglich, denn bei köstlichem Essen und fairem Biowein war dank ihres Parforceritts durch Ihr Buch mehr Zeit für den persönlichen Austausch und der war sehr inspirierend. Auch sie sieht in der Open Source Bewegung eine große Zukunft und ist ein Fan von C3S (die Cultural Commons Collecting Society baut gerade eine Alternative zur GEMA auf, was wir auch als Genossenschaftler unterstützen). Ihr empfehlenswertes Buch hat sie unter Creativ Commons Lizenz ohne Verlagsbeteiligung herausgebracht, so verzichtet sie zwar auf die vertriebliche Unterstützung, behält aber die absolute Kontrolle über die Rechte.
Ein wertvoller Beitrag für Hersbruck war die Veranstaltung aber nicht zuletzt deshalb, weil viele, leider nicht alle, Initiativen mal zusammen kamen und sich auch untereinander austauschten, auf dass sich nicht wiederholen möge, dass sich die Streuobstinitiative ein Gebäude errichten lässt, ohne beim Initiativkreis Holz aus der Frankenalb wenigstens anzufragen.
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Ute Scharrer schrieb in der Hersbrucker Zeitung:
Umdenken mit dem Schnellfeuergewehr
Rasante Buchvorstellung mit Jaana Prüss aus Berlin zum Thema „fair handeln“ – Regionale Projekte präsentierten sich
HERSBRUCK (us) – Eine Glücksministerin als Herrin über ein fiktives Ministerium, ein Werteladen in Berlin und regenfeste Röcke aus Belfast: Jaana Prüss, Künstlerin und Autorin aus der deutschen Landeshauptstadt feuerte bei der Vorstellung ihres Buches „fair handeln“ eine Salve an Ideen zum Umdenken ab – angesichts deren Fülle leider manchmal auch mit der Geschwindigkeit eines Schnellfeuergewehrs. Mit bewundernswerter Bescheidenheit nahm sich die vielfach ausgezeichnete
und hochgebildete Kulturaktivistin aus dem Rampenlicht des gut gefüllten Lokals am Michelsberg
und stellte nicht nur über den Tellerrand denkende Kollegen hinein, sondern bot auch Initiativen
aus dem Hersbrucker Umkreis ein Podium.
So stellte Doris Dischner ihr Projekt „Essbares Hersbruck“
mit dem zu vernaschenden Inhalt der Pflanzkübel in der Kirchgasse vor. Uwe Neukamm erzählte von der
in Vorderhaslach betriebenen Solidarischen Landwirtschaft, die mit ihrer überwältigenden ökologisch
erzeugten Gemüseernte die Erntegemeinschaft 2014 fast überversorgte.
Ottmar Fischer pries die von der Streuobstinitiative Hersbrucker Alb gehegten Apfelbäume an, die zumindest Teile der 140 in der Region gelisteten alten Sorten tragen und so vor dem Aussterben retten.
In diese eher kulinarische Ecke passen auch etliche Initiativen, die die von der Fairtrade-Beauftragten
der Stadt Hersbruck, Ulrike Eyrich, geladene Jaana Prüss vorstellte. Unter dem griffigen Titel „Stadt
macht satt“ werden in Berlin Gemüse und Kräuter in die Vertikale gebracht und in Pflanztaschen an Bauzäunen hoch-gezogen. „Running Dinner“ gehen einen Schritt weiter in der Verarbeitungskette der Nahrung und fördert nebenbei Beziehungen. So wird die Vorspeise in einem Haushalt, der Hauptgang in der nächsten Wohnung und das Dessert in einem dritten Habitat zubereitet und gemeinsam verspeist.
Natürlich gibt es auch Ideen, wie mit Ressourcen schonend umgegangen werden kann. Im „Do-it- yourself“-Drittel des Buches von Jaana Prüss kann man lernen, aus Tetra-Paks originelle Geldbörsen herzustellen oder Bienenkästen für eine extensive Haltung der für uns so wichtigen Insekten selbst zu bauen. Der Leihladen LEILA in Berlin hält selten gebrauchte Geräte zum Ausleihen bereit – so muss nicht jeder Haushalt eine Bohrmaschine anschaffen. Produktentwickler Leif Schoeller aus Fürth war angereist, um seine Crowd-Funding-Kampagne, oder wie er nach Anmahnung der vielen englischen Begriffe witzelte
„Schwarm-Finanzierung“, persönlich vorzustellen. Mit dem Umfang einer Langspielplatte und etwa einem
Pfund Gewicht könne man mittels „Blue Freedom“ Wasserkraft mobil zur Stromerzeugung nutzen.
Bürgermeister Robert Ilg, der sich freute, dass Jaana Prüss aus „seiner Geburtsstadt Berlin in die erste Cittá Slow außerhalb Italiens“ angereist sei, teilte in seiner Begrüßung viel Lob an die in der Fair-Trade-
Bewegung Engagierten Hersbrucks aus. Ehrlich gestand er leise Nervosität gegenüber der Aktivistin mit
ihren Ideen zum Anstiften ein, äußerte aber Verständnis dafür, dass man manchmal „Maximalforderungen
formulieren muss, um Minimales zu erreichen“.
Doch die Bedenken waren unbegründet, denn Jaana Prüss forderte nicht- sie inspirierte: zum Umdenken, Querdenken und Ausprobieren. Ob „Ticketteilen“, „Wandelwerte“, die alternative Nutzung der allgegenwärtigen Werbeflächen oder das Verschenken von Zeit statt Zeug“- viele der erfinderischen Initiatoren, die Prüss in ihrem kurzweiligen Buch vorstellt, setzen eher auf frisches Denken als auf behördliche Unterstützung. Und dabei ist laut Jaana Prüss eines ausdrücklich erlaubt: Fehler machen!
Das Buch von Jaana Prüss heißt „fair handeln-Anstiftungen für zukunftsfähiges Handeln“ und ist als
Taschenbuch im Verlag Morgengrün Kommunikation für 22.99 Euro erhältlich. Die Autorin, Künstlerin und Kulturaktivistin Jaana Prüss. Foto: U. Scharrer
Hier kann man ihr Buch bestellen oder in der Buchhandlung Lösch.
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