Das Werkstatt-Gespräch drehte sich im Jahr 2014 um das Schützen und/oder Nützen unserer Wälder.
Anlass war ein Flugblatt, das ich im Jahr 2012 zusammen mit dem Greenpeace-Magazin erhielt, auf dem dicke alte Buchen zu sehen waren. Im Text stand:
„Ausgebucht – jetzt handeln und die alten Buchenwälder retten!
Kraftvoll dingt die Motorsäge in das Holz der alten Buche. Ein erster senkrechter Schnitt trennt den Baum von einem seiner mächtigen Wurzelanläufe. Dann folgt der Fallkerb – ein großer Keil tief in den Meterdicken Stamm des riesigen Baumes. In nur wenigen Minuten fällt die fast 200 Jahre alte Buche den Interessen der Holzindustrie zum Opfer. Wieder ist ein kostbares Erbe verloren."
Ich hatte das Gefühl, dass Greenpeace zwecks Spendensammelns genau jene Buchen zu Robbenbabies stilisieren will, aus denen wir ebenso wertvolle, wie langlebige Möbel für unsere Kunden bauen. Viele unserer Kunden lesen das Greenpeace Magazin und ich stellte mir albtraumhaft vor, wie sie den Artikel lesen, auf ihre Küche schauen und sich fragen, ob es nicht doch besser gewesen wäre, eine Küche aus Spanplatte zu nehmen, dann hätten diese schönen Bäume nicht gefällt werden müssen. Oder doch?
Das Flugblatt schickte ich Michael Müller, Geschäftsführer der Forstbetriebsgemeinschaft Nürnberger Land und er zerpflückte den einseitigen Text fachmännisch von vorne bis hinten und schrieb einen Artikel für unser Nachhaltigkeitsblog, auf den ich bei Walddiskussionen immer gerne verweise (hier nachzulesen).
Ich telefoniere aber auch mit Dr. Ralf Straußberger, Waldreferent vom Bund Naturschutz, weil mich die Haltung des Bund Naturschutz zu diesem Thema interessiert. Denn mit ihm machten wir im Jahr 1997 ein Pressefoto mit einem dicken Buchenbrett, weil BN, das Forstamt Hersbruck, die Forstbetriebsgemeinschaft Nürnberger Land und die Möbelmacher zeigen wollten, wie wichtig es ist, auch die alte rotkernigen Buche zu wertvollen Möbeln zu verarbeiten (mit dabei auch Professor Hubert Weiger, Christiane Matern, Herrmann Hatzelmann und Rainer Wölfel). Ralf bringt im Gespräch wieder ganz neue Gedanken ins Spiel und so war mein Eindruck - wie schon nach der Diskussion mit Michi Müller, da hat er wohl auch Recht hat. Das anschließende Gespräch mit dem Forstbetriebsleiter Frank Pirner kann man sich jetzt wohl schon vorstellen: Mit absolut vernünftig klingenden Argumenten, erklärt er mir, warum und an welcher Stelle die Naturschützer irren.
Drei unterschiedliche Meinungen von sehr geschätzten Experten und Freunden über ein Thema, das ich unseren Kunden gerne nachbringen würde, was sich aber als furchtbar kompliziert herausstellt und so entstand die Idee, die Freunde untereinander diskutieren zu lassen, auf dass sich jeder Zuhörer selbst ein Bild machen könne.
Als Einstieg zum Werkstatt-Gespräch baten wir Sigi Huber, den Förster des Waldes hinter unserer Werkstatt um eine kleine Wanderung, die von den Teilnehmern als ausgesprochen interessant geschildert wurde. Im Anschluss konnten unsere Gäste noch den Büchertisch zum Thema Wald von der Buchhaldlung Lösch durchstöbern und sich gedanklich auf das zu erwartende Streitgespräch einstellen, dass nicht gerade harmonsich, aber auch nicht agressiv ablief.
Die Diskussion selbst beschreibt Dominik Heinz von der Hersbrucker Zeitung sehr anschaulich in seinem angehängten Artikel. Uns bleibt dazu nur zu sagen, dass alle Zuhörer erkannten, dass die Meinungen der Referenten ausnahmslos nachvollziehbar waren und dass selbst extreme Naturschützer kein Problem mit unseren verarbeiteten Buchen haben, es kommt einfach drauf an, welcher Baum wo und wann gefällt wird und diese Frage stellt sich als ausgesprochen komplex heraus. Auf die Frage, ob die Referenten sich vorstellen könnten auch den Job der anderen zu machen, war Michi Müller von der FBG in Richtung Staatsforsten und Bund Naturschutz offen, Straußberger konnte sich vorstellen für die FBG, aber nicht die Staatsforsten zu arbeiten und bei Pirner war es genauso, nur umgekehrt: gerne für die FBG, aber nicht für den BN. Übrigens gab es danach noch ganz lange persönliche Gespräche zwischen den Referenten, vielleicht hat der Nachmittag ja doch noch zu einer kleinen Harmonisierung geführt?
Wir bedanken uns bei den Referenten, Sigi Huber, der Hersbrucker Zeitung und bei Martin Lösch für den Büchertisch.
Hier ist das Flugblatt von Greenpeace samt Kritik daran veröffentlicht.
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Der Artikel von Dominik Heinz in der Hersbrucker Zeitung:
Was wird aus dem Wald?
UNTERKRUMBACH (doh) – Soll man den Wald schützen oder nutzen?
Im Bundesdurchschnitt hinkt Bayern – was Anzahl und Größe seiner geschützten Wälder angeht – deutlich hinterher. Der Holzverbrauch dagegen steigt. Naturschützer fordern, mehr Waldflächen aus der Nutzung zu nehmen. Forstbetriebe und private Waldbesitzer stehen dem eher skeptisch gegenüber. Auch die lokale Forstwirtschaft muss sich mehr und mehr mit dieser Frage auseinandersetzen. Deshalb luden die Möbelmacher zum Abschluss ihrer Werkstatttage zu einer Diskussionsrunde.
„In Deutschland ist der Waldschutz grottenschlecht. Viele unserer europäischen Nachbarn, darunter Österreich, Frankreich, aber auch Italien sind hier wesentlich besser.“ Mit dieser provokanten These spielt Dr. Ralf Straußberger, Waldreferent vom Bund Naturschutz, auf die geringe Fläche an geschützten Wäldern in Deutschland an: Laut einer Statistik des Bund Naturschutz sind nicht einmal zwei Prozent der Gesamtwaldfläche Nationalparks – in Mittelfranken sogar nur 0,4 Prozent. Im internationalen Vergleich ist das der letzte Platz. „Uns geht es nicht darum, großflächig Wälder aus der Wirtschaftsnutzung herauszunehmen und stillzulegen,“ führt er weiter aus. „Wir brauchen eine gesunde Mischung. Immerhin verkürzt die Holznutzung die Lebenszeit von Forsten um zwei Drittel. Seit 1950 sind 20 von 80 heimischen Urwaldarten deshalb ausgestorben. Darauf kann man wirklich nicht stolz sein!“
Frank Pirner sieht das etwas anders. Als Forstbetriebsleiter betreut er den Veldensteiner Forst. Für ihn ist die Haltung des Bund Naturschutz zu unflexibel und theoretisch: „Seit 30 Jahren hat sich sehr viel geändert. Wenn man sich den Veldensteiner Forst ansieht, der noch in den 1920er Jahren – unter anderem durch Eisenerzverhüttung – in einem jämmerlichen Zustand war, hat er sich wunderbar erholt. Die geforderten zehn Prozent des Gesamtwaldes und fünf Prozent von Privatwald als Schutzfläche sind doch politische Ziele, die in der Praxis sehr schwer umzusetzen sind.“ Pirner fordert weniger konkrete Vorschriften und dafür mehr intelligenten Waldschutz. So seien nämlich auch bestimmte Schutzgebiete, zum Beispiel durch Sturmschäden oder Borkenkäferbefall, flexibel. Darauf könne man nur dann am effektivsten reagieren, wenn die Gesetze dementsprechenden Freiraum ließen.
Ihm schließt sich der Geschäftsführer der Forstbetriebsgemeinschaft Nürnberger Land an. Michael Müller und sein Verein bieten Waldbesitzern Dienstleistungen zur Holzvermarktung. „Uns liegt sehr viel daran, die heimische Kulturlandschaft zu erhalten. Dazu gehören natürlich vor allem die Wälder. Das wollen wir aber nicht dadurch, dass wir Flächen komplett stillegen, sondern durch sinnvolle Nutzung. Ein Totalschutzgebiet hier und eine Nutzholzplantage da kann keine ernsthafte Alternative sein.“ Die negative Einschätzung des Bund Naturschutz kann er nicht nachvollziehen. „Mit über 50 Prozent Waldanteil ist das Nürnberger Land einer der waldreichsten Landkreise in Bayern,“ erklärt er. „Im gesamten Bundesland gibt es zwei Nationalparks und mehrere Naturschutzgebiete. Seit den 70er und 80er Jahren hat sich aus einer nadelholzdominierten Monokultur wieder eine gesunde Mischkultur gebildet.“ Straußberger bleibt dennoch skeptisch. Eine gesunde Durchmischung
ist seiner Meinung nach sehr schwer: „Niemand kriegt in seinen Nutzwäldern eine 1,50 Meter dicke Buche hin. Die werden alle vorher abgeholzt. In geschützten Naturwäldern dagegen gibt es sogar wieder ausgestorbene Arten! Im Wirtschaftswald ist das reine Utopie.“
Er ist für eine wirtschaftliche Nutzung des Waldes. Allerdings sollen fünf Prozent der Fläche zu Naturwäldern werden. Viele private Waldbesitzer haben Angst vor einer Quasi-Enteignung durch den Staat. Zahlreiche Auflagen und Vorschriften würden im Einzelfall die Stilllegung eines gesamten Waldgebietes bedeuten. „Das ist Unsinn. Niemand wird enteignet,“ beteuert Straußberger. „Das ist reine Panikmache. Es gibt keinen einzigen Fall, in dem es bisher so weit gekommen wäre.“ Dennoch sieht er vor allem langfristig weiteren Korrektur- und Handlungsbedarf in der Politik, um alle zufriedenzustellen.
Auch Michael Müller sieht das so: „Es muss sich einiges ändern. Allerdings muss es praktikabel bleibt. Ein flexibler Waldschutz ist wohl für alle am sinnvollsten. Ganz so weit sind wir wohl alle nicht auseinander.“
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