Zufällig haben wir vor einigen Monaten einen Vortrag des Architekten und Professors an der Uni Regensburg Andreas Emminger gehört und hatten sofort das Gefühl, dass seine Einstellung zur Aufgabe von Architektur ausgezeichnet zur Cittaslow Hersbruck passen würde. Zur gleichen Zeit bat die Studentin der Raumplanung Viola Schulze Dieckhoff in einer Mail um einen Termin, um ein Interview über die Cittaslow Hersbruck zu führen, denn die Cittaslows sind das Thema ihrer Diplomarbeit. Nachdem sie sechs Cittaslows persönlich besucht hat und mit vielen Protagonisten sprach, hat sie im Moment wohl den tiefsten Einblick in Anspruch und Wirklichkeit der Vereinigung der lebenswerten Städte, nicht zuletzt hat sie auch den Cittaslow Arbeitskreis von Brigitta Stöber in Hersbruck miterlebt.
Zwei Spezialisten für Raum- und Stadtplanung
Beide Fachleute fanden die Idee des Werkstatt-Gesprächs interessant und sagten spontan zu. Weil Bürgermeister Ilg zuliebe das Slowfood-Sommerfest auf den Freitag gelegt wurde - wo es mit dem Fussball zu kämpfen hatte - fand das Werkstattgespräch am Samstag um 19 Uhr statt, ebenfalls zur Fussballzeit. So folgten knapp 25 Menschen gebannt dem Vortrag von Prof. Emminger, den er "Cittaslow Imprint" (im Sinne von "Herkunftsangabe"?) nannte.
Er zitierte dabei zum Beispiel aus der Charta der Cittàslow-Bewegung:
„Die Entwicklung der Städte und Gemeinden
stützt sich unter anderem auf die Fähigkeit,
eine eigene, typische Besonderheit entwickelt zu haben
und diese zu vertreten,
eine eigene Identität zu wahren,
die auch nach außen hin erkennbar ist
und im inneren Kern gelebt wird.“
„Das Phänomen der Globalisierung bietet uns zweifelsohne
großartige Möglichkeiten zum Austausch und zur Verbreitung.
Sie tendiert jedoch leider dazu, die Unterschiede zu verflachen
und die ganz eigenen Besonderheiten der einzelnen Realitäten
zu verdecken, indem uns Durchschnittsmuster aufgesetzt werden,
die niemand wirklich für sich beanspruchen kann.“„Sie führt zwangsläufig zu Mittelmäßigkeit.“
Emminger führte vom mittelalterlichen Nürnberg über Bauhaus und Mies van der Rohe und die Idee der Gartenstadt in die fränkische Schweiz nach Mostviel bei Egloffstein, wo er mit einem Freund von uns (der auch den Vortrag organisierte, bei dem wir Emminger kennen lernten) auf einer alten Brotfabrik das Projekt "In der Heimat altern" umsetzt. Ein beeindruckendes Konzept für den angemessenen Umgang mit dem Altern, den Menschen und der Natur. Immer ging es um das Finden der eigenen Identität, die sehr eindrucksvoll auch der Architekt Michael Adler mit einem Bild erklärte, das er zitierte:
„Wenn wir die Blätter einer Eiche betrachten, ist jedes anders,
aber wenn wir sie alle einander überlagern, ergibt sich die theoretische Form,
die jedem zu Grunde liegt.
Die Bedingungen, unter denen die Blätter wachsen, geben jedem dann seine Identität.
Das ist ein altes Thema.“
Der Basler Architekt und Hochschullehrer Michael Alder, 1940-2000
Emminger schloss mit einem motivierenden Bild von zwei Jugendlichen, die die eigene Favela (brasilianisches Armenviertel) als Modell gebaut haben, was ebenfalls ein Beispiel für die Bedeutung der Herkunft darstellte.
Niemand erstickt
Schon in der Pause wurde viel zum Thema Cittaslow diskutiert und gleichzeitig den Getränken der Lammsbräu, dem Wein von Fiasco Classico und den köstlichen Buffet von Ute Danzer und Helga Münzenberg gefrönt. Die theatralisch angedrohte Grätenhäufigkeit in der Forellencreme, für die ich die Fische filetierte, wurde bei weiten unterschritten.
Fachfrau für Cittaslows
Dann begann Viola Schulze Dieckhoff mit Ihrem engagierten Vortrg über ihre Erfahrungen mit den Cittaslows, bei dem sie auch viele Beispiele der unterschiedlich strukturierten Städte nannte. Ihr Blick über den Heimat auf´m Tellerrand brachte auch für die anschließende Diskussion mit beiden Referenten viel Stoff, den Schulze Diekhoff und Emminger gemeinsam geduldig abarbeiteten. Hier bewährte sich die angenehme Atmosphäre der Werkstatt, denn die Gespräche brachten durchaus neue Gedanken zum brachliegenden Quelleareal und verdeutlichten die Notwendigkeit sich nicht nur im Workshop, sondern auch im echten Leben mit der Identität einer Stadt zu beschäftigen und die wichtigen Entscheidungen daraufhin abzuwägen. Alle Zuhöhrer sind auf jeden Fall gespannt auf Violas Diplomarbeit, denn hier werden sicher nicht nur die theoretischen Eigenschaften der Cittaslow-städte beschrieben, sondern auch deren Unzulänglichkeiten thematisiert und Lösungsansätze entwickelt.
Nachdem auch die Diskusssionen nach dem offiziellen Teil beendet waren, luden wir noch zum "Aufessen" in unsere Ausstellung, wobei uns auch Violas Partner Hendrik, unser Mann für die Technik, der Theatermaler Mattthias Meier halfen.
Es sind die Momente des gemeinsamen Ausklingen lassens, an denen man sich freut, für seine Gästen so kompetente Referenten und so sympathische Menschen eingeladen zu haben.
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Hier der einfühlsame Zeitungsbericht von Ulla Meckler der Hersbrucker Zeitung.
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Wer uns eine email schickt, kann auch den Link zum Video bekommen.
Das Architekturbüro von Prof. Emminger heißt Johannsraum
Das ist der Bericht der Werkstatt-Tage am Freitag, Slow Food trifft Cittaslow.
Und hier sind alle Infos zu den Werkstatt-Tagen gesammelt.
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