Am Sonntag, den 26. Juni 2011 wurde das klassische Hersbrucker Bürgerfest um die 10-jährige Geburtstagsfeier der Cittaslow Hersbruck erweitert. Um zu vermeiden, dass wieder nur ein neues Etikett auf Althergebrachtes geklebt wird, bemühten wir uns mit einigen Mitstreitern Inhalt in die Cittaslowdiskussion zu bringen. Neun Interviews mit den Protagonisten (Zeitzeugen muss man immer rechtzeitig befragen!), sollten einerseits Zusammenhänge erklären, andererseits betonen, dass etwas getan werden muss, um "Die Vereinigung der lebenswerten Städte" nicht nur als Auszeichnung, sondern als verantwortungsvolle Aufgabe wahrzunehmen.
Zum Auftakt das Versprechen der Bürgermeister und das Gesprächsangebot des Landrats
Direkt nach der Begrüßung kündigte Bürgermeister Robert Ilg die Workshops mit zweiter Bürgermeisterin Brigitta Stöber an, was als erste konkrete Maßnahme unbedingt nötig ist, um Mitbürger in den Prozess einzubeziehen - was übrigens schon immer eine Forderung der Cittaslow-Bewegung ist.
Die Frage an den Landrat Armin Kroder, ob sein Amt zwar nach außen die Direktvermarkter ganz doll lobt, ihnen gleichzeitig aber durch unnötig strenge Auslegung der EU-Gesetze gleichzeitig die Lebensgrundlage entzieht, wurde ebenso ausführlich wie allgemein beantwortet. Der Prognose von Bauern, dass wohl immer mehr Direktvermarkter aufhören werden, konnte er nur ein Gesprächsangebot im Einzelfall entgegensetzen, aber immerhin. Also müssen sich die Cittaslows wohl nicht zuletzt auch deshalb zusammentun, um Lobbyarbeit für Direktvermarkter und deren Erhalt der Vielfalt bei Lebensmitteln zu leisten.
Rainer Wölfel vom Naturschutzzentrum Wengleinpark schuf die Basis
Es gibt zum Thema Cittaslow wahrlich genügend Sonntagsreden. Die von den Interviewten investierte Zeit sollte aber keine heile Welt vorspielen, sondern aufzeigen was zu tun wäre, um der Auszeichnung auf Dauer auch gerecht zu werden. Deswegen machte derjenige, dessen Engagement für regionale Wirtschaftskreisläufe Hersbrucks Beitritt überhaupt erst ermöglichte, keinen Hehl daraus, dass hier noch Verbesserungspotential zu entdecken ist:
Rainer Wölfel:
"Ich finde die Idee nach wie vor gut aber Titel sind nur dann sinnvoll, wenn es gelingt diese auch mit Leben zu füllen – das ist hier noch nicht so weit –aber das Kind ist ja erst 10 Jahre alt und muss nun erst noch die eigenen Wege in Hersbruck finden. Wie alle Jugendlichen sollte das Geburtstagskind mal aufbegehren und sein eigenes Profil entwickeln. Es sollten die Meinungsbildner und die Bürger für die Idee gewonnen werden und in ihrer Kreativität in der Umsetzung von Projekten in einer lebenswerten Stadt gefördert werden"
Fritz Leipold berichtet über ständig steigende Auflagen der Behörden
Wie oben schon erwähnt, war es uns auch wichtig den eigentlichen Akteuren zuzuhören. Der bei Heimat aufm Teller engagierte Demeterbauer sagte den Ausstieg einiger Direktvermarkter voraus, die kein Interesse mehr daran haben, die ständig wachsenden Auflagen der Behörden zu erfüllen. Ob diese unnötigerweise die EU-Vorgaben übererfüllen oder sie - wie der Landrat erläuterte - tatsächlich dazu gezwungen werden, konnte ich natürlich nicht beurteilen, aber es zeigte ganz deutlich, dass die internationale Vereinigung der Lebenswerten Städte zusammen mit Slow Food auch politisch aktiv werden muss. Sonst haben wir irgendwann vielleicht die passende Struktur, aber keine Akteure mehr.
Die Miniköche und deren Papas
Unsere Miniköche machen immer was her. Und in diesem Fall kamen sie auch her. Während des Interviews mit Hans Peter Eberhard vom Grünen Baum Kühnhofen hat sein Stichwort "Miniköche Hersbruck" gleich alle gleichzeitig auf die Bühne gelockt. War zwar so nicht geplant, macht aber nix, denn Conny Szymczak und Robert Ilg haben geistesgegenwärtig reagiert und die Eisgutscheine auf die Bühne gelangt, um dessen Übergabe wir den Schäufelekönig Waldemar den Ersten baten. Und bei diesem Thema konnten wir auch gleich ein wenig alten Zoff aufarbeiten, den seine Ernennung einst auslöste, weil das Schäufele aus Sicht der Mediziner nicht gerade zur Gesundheitsregion passte.
Ich selbst bin kein großer Fan der Grundidee, muss aber zugeben, dass Waldemar Bogner seinen Job ausgesprochen gut und sympatisch macht. Seiner Persönlichkeit und seinem ehrlichen Engagement hat es Hersbruck zu verdanken, dass der Schäufelekönig nicht albern, sondern als ernstzunehmender Gesprächspartner und Botschafter der Hersbrucker Alb rüberkommt.
Apropos Botschafter
Im Interview mit Klaus Rostek, dem Marketingspezialisten der Hersbrucker Raiffeisenbank, wurde die Idee diskutiert, mehrere Bürgerinnen und Bürger Hersbrucks zu Cittaslowbotschaftern zu machen. Natürlich müste es vorher dazu genau diese Workshops mit Brigitta Stöber geben, die zunächst mal die Kompetenz, aber auch die Begeisterung für die Idee weiterbringen, danach spricht da sicher nichts dagegen. Gleichzeitig engagiert sich die Bank unter dem von Klaus erdachten Slogan "Wir sind Heimat" auch durch die Ausstellung "Cittaslow" in ihrer Schalterhalle.
Hersbruck und die Kunst
Die Geburtstagsfeier ward eher kurzfristig und spontan verwirklicht, denn langfristig geplant, was auch zu ein paar Konflikten führen kann. So waren die Künstler von der Platzierung der Bühne nicht begeistert, die sich mit dem Rücken zu deren Aktionen befand, was allerdings daran lag, dass es von Ausstellerseite viele Absagen gab. Die Diskussion mit dem Bildhauer und Leiter des Kunsmuseums Hersbruck brachte zutage, dass es höchste Zeit ist nicht nur den Dialog mit allen Beteiligten zu beginnen, sondern vor allem auch Strukturen dafür zu schaffen. So könnte eine vernüftige Datenbank mit Kalender für alle Cittaslow Aktivitäten alle potentiellen Mitmacher der Aktion im Vorfeld ohne Aufwand informieren und viele Probleme gar nicht erst entstehen lassen. So eine Homepage wurde in den Cittaslow-Statuten schon 2001 gefordert, man müsste sich also mal an die Umsetzung machen. Insgesamt äußerte Olpp die Hoffnung, dass sich die Bevölkerung mehr in das künstlerische Geschehen in der Stadt einbringen möge.
Cittalsowreise 2012
Aber noch was Konkretes gab es gottseidank: Ursula Wilfing hat eine Reise an die Amalfiküste für Hersbruck geplant, die auch die Gründerstadt Positano mit einbezieht. Als ausgebildete Reiseleiterin hat sie die sicher spannende und informative Reise sehr sympathisch vorgestellt, der wir im nächsten Jahr ganz viele Teilnehmer wünschen.
Wolfgang Plattmeier zum krönenden Abschluss
Gegen 15:30 kam der Altbürgermeister Wolfgang Plattmeier noch aus Polen angedüst, wo just an diesem Tag die Cittaslow-Tagung zu Ende ging. So gab es Brandaktuelles aus der Entwicklung der internationalen Cittaslowbewegung aber auch einige eindeutige Aussagen über sein weiteres Engagment für die Cittaslow Hersbruck. Er stünde in Zukunft nicht nur für die internationalen Beziehungen der Cittaslow zur Verfügung, sondern ist auch bereit, bei Hersbrucker Aktivitäten sein Know How und seine Erfahrung einzubringen. Das hat uns alle sehr gefreut, denn ein spontaner Ausstieg Plattmeiers (der ihm durchaus zustände) würde durch den Weggang Petra Hofmanns zum Landratsamt ein Wissensvakuum entstehen lassen, das Herbruck international und lokal zurückwerfen würde. Wichtig wäre auch, dass er seine Erkenntnisse, Unterlagen und Erfahrungen rechtzeitig an die Stadt weitergibt.
Fazit
- Es ist nicht leicht auf einem Bierfest Interviews über gesellschaftspolitische Themen zu führen.
- Alle Interviewpartner waren echte Fans der Cittaslowidee, aber alle mahnten jetzt endlich mit der Bürgerbeteiligung und nicht zuletzt auch der aktiven Vermarktung zu beginnen.
- Diese muss organisiert werden - wofür sich bereits Brigitta Stöber bereiterklärt hat - und sie muss aber auch kommuniziert werden, wofür wir eine Website, bzw. aktuelle Web2.0 Lösungen erarbeiten müssen (oder unendlich Personal zum Telefonieren bereitstellen müssen). Eventuell könnte das neue "Google Plus" (vermutlich ab August im Internet öffentlich zugänglich) für solche Prozesse hilfreich sein.
- Den Prozess beginnen muss die Stadt, aber um ihn mit Leben zu füllen, braucht es auch Geschäftsleute, Vereine und die Bevölkerung. Erst an dieser Stelle wird sich entscheiden, ob die Cittaslow in eine neue Phase geht, oder ob alles beilbt wie bisher. Dann müsste man sich auch ehrlich fragen, ob das Tragen des Titels weiterhin noch Sinn macht.
- Nebenbei: Fast alle Interviews haben wir auch als Video, leider nicht besonders toll, weil hersbruck.tv nicht konnte, aber als Beleg genügt es allemal.
Dank
Die Feuerwehr Hersbruck hat diese Veranstaltung ehrenamtlich organisiert und wer glaubt, dass damit Geld zu verdienen sei, der weiß nicht, wo überall Kosten entstehen. Deswegen vielen Dank an Norbert Winkler und sein Team, das zusammen mit Conny Szymczak von der Touristinfo die ganze Organisation übernahm. Dank an Martin Pirner und seine Musiker, die auf das Gelingen des Tages einen wesentlichen Einfluss hatten: am Vormittag unplugged Volksmusik und am Nachmittag Jazzklassiker als Begleitmusik. Immer gefühlvoll auf die Wünsche des Publikums, der Veranstalter und des Moderators eingehend. Heimat aufm Teller hatte die Verpflegung mithilfe der Miniköche im Griff, der Schäufelekönig waldemarte seines Amtes und am meisten gefreut haben wir uns über die Gäste aus Waldkirch und Wirsberg mitsamt dem liebenswerten Drehorgelspieler.
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