Nein, eigentlich habe ich nicht die musikhistorische
Kompetenz um einen Artikel über Stefan Pürners Epos „Sgt. Pepper Live“ zu
schreiben. Low-level-Allgemeingut zum angeblich ersten Konzeptalbum der
Popgeschichte ist bei Wikipedia zu finden, das ist aber schon fast alles, was
ich fachlich dazu beisteuern könnte. Trotzdem: Stefan Pürner (ein Advokat, der vor allem in Sarajevo nach dem Rechten sieht) hat genau vor einem Jahr
bei uns aus seinem Buch „Geklont“ gelesen (mit musikalischer Begleitung vom
Janis Joplin Klon Bluemama, die grade eine neue CD herausbrachte) und außerdem
ist er ein Schulfreund, dessen Vater ich als durchaus eigenwilligen Lehrer
kennen lernen durfte.
Zurück zum Buch, zu dem ich mir wieder eine schnuckelige Lesung mit Musik gut
vorstellen könnte: Ich habe es neugierig, schnell, interessiert und amüsiert
gelesen. Neugierig aus persönlichem Interesse, weil ich wissen wollte, was er
wieder ausgeheckt hat. Schnell, weil ich es auch richtig spannend fand.
Interessiert, weil es ganz viel Fachwissen zur Verfügung stellt, das ich (als
Bob Dylan und Folk-Freak) nie ansammeln konnte. Amüsiert, weil an vielen
Stellen so witzige Ideen, Geschichten und Formulierungen auftauchen, dass sich
das Buch auch einfach zur Unterhaltung eignet, selbst wenn man mit den Beatles
nicht so viel am Hut hat.
Das größte Manko lässt sich leider nicht wegschaffen.
Eigentlich bräuchte man zu diesem Buch eine CD, die die Erinnerung wachküsst.
Vielleicht sollte man wenigstens die Links zu den Texten sammeln, die bei
Wikipedia verfügbar sind, denn sie können helfen, immerhin die lyrischen
Fragestellungen abzudecken:
War die hommage an die Politesse Lovely Rita wirklich sooo sexuell formuliert,
dass damit ein Gerichtsverfahren 40 Jahre später beeinflusst werden kann? Ist
„Within You Without You“ wirklich ein Text, der tags darauf zum Mord nach dem
Beischlaf führen muss? Sind die Tierstimmen in „Good Morning, Good Morning“
wirklich in der Fressfolge der Tiere angeordnet, dient die Diskussion darüber
ausschließlich der Festigung oder
Neuordnung der Kompetenz-Hackordnung im Seminar an der Uni oder gar ausschließlich
dem Paarungserfolg der Kommilitoninnen und -onen, der (leider) immernoch von
den ergrauten Professoren dominiert wird?
Der Autor kann eine ganze Seite lang über zwei Takte, gekrönt von der Triangel schreiben, ein paar andere Takte „wie einen zögernden Orgasmus“ schildern, begründen, warum Punk die logische Antwort auf das Sgt. Pepper´s Album ist, und sogar Argumentationshilfen für unser Alter gegenüber den Enkeln liefern: Carnival of Light http://de.wikipedia.org/wiki/Carnival_of_Light war die Mutter alle Raves, leider haben das Lied nur ganz wenige Menschen jemals gehört. Er erfleht das Recht der Rentner auf Musikkritik:
„Ich aber sage Euch: Wenn wir den Rock schon demokratisieren wollen, dann haben auch die Rentner was zu sagen. (...) Schließlich haben wir den Scheiß mehrfach gekauft. Erst als Single, dann als LP, später dann als MC (Musikcasette), noch später als unbearbeitete CD, schließlich als CD mit Bonus Track. Irgendwann auch als remasterte CD.“
Ach ja, die Rentner. An vielen Stellen streitet der vermeintlich jung
gebliebene Verstand mit den Lebensumständen. „Seniorendiskriminierung“ nennt er
rechtzeitig (und mit vollem Recht!) das Lied „When I´m sixty-four“ und im Track
09 „Entrümpelung“ zieht sich ein Held der Kurzgeschichten auf der Flucht vor
blägenden Zwillingen in den Keller zurück, um Beatles Platten zu sortieren: die
guten ins Töpfchen, die schlechten ins Eimerchen.
„Yellow Submarine“ „Tut mir leid, auch das kommt nach rechts.“ Das „Weiße Album“: Links, na klar.
Stefan reicht aber die literarisch fiktive Aufbereitung (gottseidank) nicht. Im Anhang bringt er noch sooo viele interessante Infos, die man heute wohl crossover nennen würde. In brandeinsmanier präsentiert er schmunzelige Zahlen bis zur (gigantischen) Schuhnummer des Autors, bei der Bewertung anderer Alben führt er die Kategorie „Nachhaltigkeit“ ein, weshalb ihm auch die Besprechung im Nachhaltigkeitsblog gebührt.
Nachdem nicht ganz sicher ist, ob die ersten Aufnahmen zu diesem Album am 24. oder 26. November entstanden sind, plädiere ich für den 25. November 1967, meinen fünften Geburtstag. Vielleicht ist es auch kein Zufall, dass der vierzigste Geburtstag des Albums die Lebensfreude namens „Summer of love“ in eine Zeit fällt, in der die LOHAS (Livestyle of Health and Sustainibility) ihre erste Kategorisierung im Zukunftsinstitut erfahren haben. Vielleicht sollte man ihnen mal das Album vorspielen? Stefans Buch lohnt sich auf jeden Fall für jedes Alter.
(Eindeutig im Vorteil sind aber die, die wissen wer das ist: Pink Floyed, Alan Parsons Project, Eric Clapton, The Shadows, Bono (U2), Chuck Berry, Kieth Richards (Rolling Stones), Peter Frampton, Bee Gees, Tina Turner, Deep Purple, Elton John, Klaus Vormann, Ian Anderson (Kansas), Crossby, Stills Nash and Young, David Gilmore, Bob Dylan, Peter Green, Thin Lizzy, Wishbone Ash, Roger Chapman, Frank Zappa, The Byrds, Roxy Music, Jose Feliciano, Wet Wet Wet, u.v.a.)
Bilder von der Lesung 2006 von Thomas Geiger
Rezension seines Buches "Geklont" von Thomas Geiger
Geklontes - Erinnerung von herwig Danzer
Wenn man in seiner Buchhandlung vor Ort auch in Jahren noch Bücher in die Hand nehmen will, dann kauft man sie dort und nicht im Internet! Dort reicht auch Titel und Autor, weil die Leute Ahnung haben! Na gut, die ISBN Nummern geben wir noch durch:
- ISBN-10: 3931624463
- ISBN-13: 978-3931624460
Ja, ich hab das Buch von Stefan auch schon bekommen, hab es sogar in den Urlaub mitgenommen, aber schon beim ersten Track hab ich gemerkt, dass ich doch wohl erst nochmal das Album besorgen muss, da mein Beatles-Wissen einfach zu klein ist. Auch wenn ich die Anthology bei Bayern 3 mal gewonnen habe und ...
"Geklont" war da doch leichterer Stoff. Wer leiht mir mal sein zerkratztes "Sgt. Pepper" Album?
Und dann les' ich es noch, versprochen Stefan! ;-)
Kommentiert von: Thomas | 10. September 07 um 15:22