Res publica – die Sache, die uns alle angeht – was ist das? Die Weisen, die beamteten Philosophen schweigen dazu. Die für alles zuständigen Parteien, die steuerfinanzierte Politik also, kümmern sich um die nächste Wahl. Und da kommt das Thema „Res publica“ auch nicht vor.
Wer sich vergangenen Freitag den Luxus erlaubte, nach Unterkrumbach zur Lesung von Christian Schüle zu fahren, ist in dieser Frage klüger. Hinter seinen tiefgründigen, teils spitzzüngigen, immer plastischen, um Genauigkeit bemühten Formulierungen verbirgt sich eine Zustandsanalyse unserer Gesellschaft aus dem Erfahrungsbereich eines Mitdreißigers. Das Ergebnis: um unsere Gesellschaft, um unsere Werte, Vorbilder und Verhaltensweisen ist es schlecht bestellt. Als „Ichlinge“, ratlos, ohne Kriterien, gleichgültig, auf sich bezogen beschreibt er seine Generation. Konsens im Konsum ist das einzig Verbindende. Interessant dabei, Schüles Analyse wurde, wie die Diskussionsbeiträge im Anschluss deutlich machten, als ein vehementer Appell, ein Aufruf an alle wachen, an ihrem Land und seiner Zukunft interessierten Menschen verstanden, gleich welchen Alters.
Es geht um den „Auszug aus der selbstverschuldeten Unmündigkeit“, also um Aufklärung. Naturwissenschaftliche Erkenntnisse und ökonomische Werte allein werden in der Zukunft noch weniger ausreichen, um ein gesundes, selbstbestimmtes wirklich anspruchsvolles, humanes Leben zu führen.
Für manche mag es revolutionär klingen. Eine von Tugenden wie Wahrhaftigkeit, Achtsamkeit und Demut bestimmte Neuorientierung des bürgerlichen Lebens könnte so ihren Anfang nehmen. Kleinräumig organisiert, getragen von jedem, da, wo er gerade steht. Die Res publica wieder in die Hände der Bürger. Wo sie ja ursprünglich auch hingehört.
Anselm Stieber
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