Peinliche Auftritte eines Unterkrumbachers in Berlin
Klar kam ich ein ganz klein wenig zu spät, das Verlassen der Future Veranstaltung in Hannover ging zwar flott, aber im Berufsverkehr ... . In Berlin biege ich in die Kurfürstenstrasse ein, das Navi lügt ich sei am Ziel und am Strassenrand winkt und lächelt freundlich ein hübsches Mädel. Das muss Frau Figge sein, die ich vor meinem Zuspätkommen und dem Parkplatzproblem gewarnt habe, aber der Rock ist ebenso kurz wie die Stiefel lang und eine tausendstel Sekunde vor dem Blinkersetzen begreift der Unterkrumbacher in der Großstadt den bedauerlichen Hausnummerirrtum des Navigationssystems.
Im Cafe´ Einstein werde ich freundlich von einem freien Taz-Redakteur empfangen und in den ersten Stock geschickt, wo ich 15 Leute an der Tür anstehen sehe. Au weh, viel zu spät, die stehen schon am Büffet an, denke ich und höre auf einmal die Stime eines Redners mit den Worten "herwig Danzer, die moebelmacher, Kirchsittenbach." Panisch breche ich durch die Schlange und die eng gedrängten Zuhörer der (gerade erst begonnenen) Preisverleihung, nicht ohne auch akkustisch auf mich und mein Zuspätkommen aufmerksam zu machen. Im Vorbeidrängeln höre ich von Katrin Kinza, Geschäftsführerin von Hess Natur, den Kommentar "Is doch nur die Begrüßung," aber erst ganz vorne, wo mich weder jemand erwartet noch brauchen kann, werde ich der Situation gewahr: ich war nicht zu spät, es war nur die Begrüßung, aber wenigstens ist einer der ganz wenigen Stühlen vorne noch frei und ich konnte die Preisverleihung mit anfänglich hochrotem Kopf im Sitzen verfolgen.
Der Ablauf beim Preis der Arbeit
Vor dem peinlichen Auftritt habe ich noch ne Kiste mit 50 druckfrischen 2007 Kalendern in die Ecke gestellt, aber jetzt saß ich in der zweiten Reihe, die eigentlich nur für die Preisträger vorgesehen war. Stolz präsentierte der Eröfnungsredner schon mal vorab die Trophäe der Gewinner, den "Tom." Der Cartoon (des von von mir geschätzten gleichnamigen Zeichners) aus Holz, Farbe, Draht und Filzstift war ein lustiger Kontrast zum Erscheinungsbild des Grafen von Faber Castell, der den Preis später entgegennahm.
Gesine Schwans Rede war der Lichtblick des Abends, allerdings eher als Blitzlicht, denn nur wenige Minuten nach ihrem Ausflug zu Marx, Kant und der Aristokratie war sie auch schon wieder weg.
Die Laudatio für alle der sieben Nominierten war wenigstens nicht so verklemmt, wie die Technik, die zur Einblendung eines Zitats ohne Bilder oder weitere Infos ein wenig Zeit brauchte. Birgit Mahnkopf von der Fachhochschule für Wirtschaft in Berlin wurde nicht müde zu erlären, dass das Urteil der Jury aufgrund von Firmenangaben gefällt wurde, die sie anscheinend generell anzweifelte, denn wie sonst ist der ständig fragende Blick in Richtung der Preisträger zu erklären? Schaffen es sechs kritische Redaktionen nicht, die Zweifel auszuräumen, hätte man bei berechtigten Zweifeln vielleicht besser nachfragen oder -forschen sollen? Wir hatten Glück, die Möbelmacher wurden von ihr sehr sympathisch vergestellt (vielleicht aufgrund des Testmails der Verbraucherschützer?). Eine Zuodnung der angereisten Betriebsvertreter zu den Nominierten war leider nur bei mir wegen des oben beschriebenen peinlichen Auftrittes möglich.
Dr. Wolfgang Werth von Ritter Sport haben wir später trotzdem noch ausfindig gemacht, er stand einfach ganz hinten. Die zweite Laudatorin Nadine Braun ist für den BUND und die Naturfreundejugend aktiv (für die ich von 1982 bis 1988 (Möbelmachergründung) als Kajaklehrwart in ganz Europa unterwegs war). Ihr Selbstvertrauen war beeindruckend, andere hätten vielleicht größere Bedenken gehabt, aus ihren handschriftlichen Notizen eine adäquate Rede für die weltweit beeindruckende Arbeit von Hess Natur zu formulieren, allerdings wurde sie einerseits zeitlich gedrängelt und andererseits bei den schlimmsten Ausrutschern ("mit wenig Schadstoffen") von Hess-Chefin Katrin Kinza ergänzt ("ohne Schadstoffe!").
Fazit
Der Preis der Arbeit ist eine geniale Veranstaltung, die den Finger auf die Wunde der vernachlässigten unternehmerischen Verantwortung legt. Der Trick, dies durch die Identifizierung von Best Practice Beispielen zu tun, statt mit der ebenfalls denkbaren gegenteiligen Strategie ("rostige Kreditkarte für den unsozialsten Manager") bringt in den nächsten Jahren vielleicht auch andere Medien zum Mitspielen, die sich diesmal eher verweigert haben. Die Veranstalter freuen sich über 2670 abgegebene Stimmen, Internetfachleute wundern sich eher über diese Zahl, wird doch den beteiligten Medien eine Reichweite von 6 Millionnen Lesern nachgesagt und im Internet kommen schon engagierte Weblogbetreiber auf solche Response-Zahlen (unser Nachhaltigkeitsblog natürlich nicht!). Die ergänzende Medienarbeit, für die Fotos und weitere Infos angefordert wurden, habe ich selbst leider nicht mitbekommen. Im nächsten Jahr wünschen wir den Veranstaltern, die einen respektablen Spagat zwischen den Interessen der unterschiedlichen Mitglieder des Forums Zukunfstökonomie schaffen müssen, noch mehr Vorschläge, Abstimmer und vor allem einen noch größeren Einfluss auf das Nachhaltigkeits-Bewußtstein der Deutschen.
Nochwas
Auf die Gefahr hin, wie bei der EU-Konferenz auf Zypern, als Lästerer abgestempelt zu werden, möchte ich das große Verbesserungspotential, das wir bei gemeinsamen Gesprächen nach der Veranstaltung identifiziert haben, nicht unausgesprochenschrieben lassen und gleichzeitig die großzügige Redezeit loben, die den Preisträgern eingeräumt wurde:
- Das Namensschild wäre eine einfache Lösung gewesen, um Kontakte zu erleichtern, die die versäumte Vorstellung der für eineinhalb Stunden Veranstaltung durch ganz Deutschland gereisten Vertreter der Betriebe erschwert hat.
- Der Aufwand einer Bewerbung ist groß. Wer sich darauf einlässt, ob Inhaber, oder Umweltbeauftragter, hat eigentlich auch eine Antwort verdient, was die Jury toll fand, und wo sie Verbeserungsmöglichkeiten sieht. Vielleicht werden ja genau die Dinge bemängelt, die auch der Umweltbeauftragte seit Jahren ändern will. Oder Missstände aufgezeigt, die durch Betriebsblindheit noch unentdeckt blieben. Jedes Managementsystem sucht verzweifelt nach Messgrößen oder Benchmarks. Deswegen ist es schade, die aufwändige Auswahlarbeit der Jury für 68 von 70 Betreiben ungenutzt verpuffen zu lassen.
- Die genauen Ergebnisse der Auswertung können hilfreich sein, um Kommunikationskanäle zu identifizieren, auch das Publikum hat sich für das Abschneiden der anderen 6 Betriebe interessiert
- Wer die Nominierten zur Preisverleihung nach Berlin bittet, könnte sich auch Gedanken machen, wie die Nicht-Preisträger die Veranstaltung bei der lokalen Presse und in der eigenen PR verwerten könnten. Organisierte Fotos, Urkunden, Minipreise oder - noch besser - ganz neue Ideen, würden einen Gegenwert des Aufwands schaffen, der durch ein Glas Wein mit Sandwich den Daheimgebliebenen nur schwer zu erklären ist.
- Ein ausreichend großer im Vorfeld geplanter Tisch oder Wände oder oder oder für die eingeladenen Betriebe, oder die geplante Einbindung von Teilnehmerprodukten (zum Beispiel Ritter Sport(!)) macht eine Veranstaltung noch authentischer.
- Die Freiheit von Zigarettenrauch erhöht den Genuß des kleinsten Buffets
aktueller Artikel in der Taz
aktueller Artikel im Vorwärts
Sonderseite Preis der Arbeit auf unserer homepage
Zweiter Platz: die Kurzmeldung zum Preis der Arbeit
Umstrittener Text über die Möbelmacher
Interview mit Gesine Schwan in der TAZ lesen.
"Besser wäre eine rostige Kreditkarte" sehr kritischer Bericht zum Preis der Arbeit
Weblogbeitrag zur Abstimmung
Der Preis der Arbeit.
Eine schöne und wichtige Idee engagierten Unternehmen zu zeigen, dass ihre positive Arbeit auffällt und vielleicht auch auf andere Unternehmen abfärben kann. Bei solch gut ausgewählten Nominierten muss man sich, so denke ich, auch nicht verstecken, wenn man es nicht bis ganz nach oben auf das TOM- Treppchen geschafft hat. Das die Organisation einer solchen Veranstaltung (da ich selbst leider nicht dabei war- etwas schwierig zu beurteilen) alles andere als simpel ist, wissen die Leute die schon mit einer ähnlichen Aufgabe betraut wurden...und aus Fehlern lernt man ja immer noch am Besten, so denn die konstruktive Kritik ernst genommen wird.
Wirklich schade finde ich bei fast allen Preisen, dass die sehr schwierige und zeitintensive Arbeit der Experten- nämlich die Auswertung der Ergebnisse, nicht weiter verwendet werden soll. Schade für die Leute die den Aufwand für die Bewerbung im Betrieb getrieben haben und um ein Feedback sicherlich dankbar wären. Ganz besonders schade für die Fachleute, die dort ihr Wissen und Hirnschmalz und vor allem kostbare Zeit investiert haben. All das ungenutzt zu lassen stellt doch für alle Beteiligten einen Verlust dar.
Dennoch denke ich, dass der Preis der Arbeit eine zukunftsgerichtete Veranstaltung mit potentiell großer Informationswirkung sein kann ...nächstes Jahr wird alles schon ein wenig einfacher und der ein oder andere Vorschlag sollte auch mit organisatorisch geringem Aufwand umzusetzen sein. Und wenn herwig mal nur ein kleines Buffet abbekommt, muss das ja kein Fehler sein ...
Kommentiert von: Nicola Polterauer | 05. Dezember 06 um 18:18